Introversion als Stärke: Wie ich lernte, leise wirkungsvoll zu sein
- Harriet Moser

- vor 7 Tagen
- 3 Min. Lesezeit
Der Tag, an dem ich über meinen Schatten sprang: 28. Oktober 2025. Swiss Digital Leadership Forum. Der Raum für meine Breakout Session füllt sich – sogar über die verfügbaren Sitzplätze hinaus. Ein Zeichen, dass das Thema AI Branding viele bewegt.
Eine persönliche Reflexion über stille Superkräfte im lauten Marketing-Alltag
Mein Puls beschleunigt sich. Ich stehe vorne und soll gleich meine Breakout Session starten: «Between Creativity and Control – Lessons from an AI Branding Journey». Eine Brand Case Study, die ich Wochen vorbereitet habe – aber jetzt, in diesem Moment, spüre ich vor allem eines: Ich bin weit ausserhalb meiner Comfort Zone.
Als introvertierte Person sind solche Momente nicht mein natürliches Habitat. Kein Workshop, in dem ich erst zuhöre und dann präzise Fragen stelle. Kein Meeting, in dem ich in Ruhe Notizen machen kann. Hier bin ich die Person, die sprechen muss. Die gesehen wird. Die im Mittelpunkt steht.
Und doch: Ich habe mich bewusst für diese Gelegenheit entschieden.
Die Präsentation läuft. Ich merke, wie ich in den Flow komme – nicht trotz meiner Nervosität, sondern weil ich mich so gründlich vorbereitet habe. Jede Folie, jede Transition, jede Kernbotschaft habe ich durchdacht. Mehrfach überarbeitet. Schriftlich fixiert. Verinnerlicht.
Das Feedback danach überwältigt mich. Zwei Kommentare berühren mich besonders:
"Persönliches Highlight des Tages."
"Nr. 1 unter meinen Key Takeaways."
In diesem Moment wird mir klar: Introversion war nicht das Hindernis, das ich überwinden musste. Sie war der Grund für den Erfolg.
Diese Erfahrung hat mir wieder einmal gezeigt, was introvertierte Arbeitsweisen wirklich leisten können:
1. Gründliche Vorbereitung schlägt spontane Brillanz
Meine SDLF-Präsentation war erfolgreich, weil ich mir Wochen vorher Zeit genommen habe – nicht nur für die Folien, sondern für das tiefe Durchdenken der Story. Was will ich wirklich sagen? Welche Erkenntnisse sind am wertvollsten? Wie baue ich die Spannung auf? Wo setze ich bewusst Pausen?
Diese Denkzeit ist für Introvertierte keine Verschwendung. Sie ist die Voraussetzung für Präzision. Ohne fest eingeplante Reflexionsphasen entstehen keine durchdachten Konzepte – nur oberflächliche To-do-Listen und generische Präsentationen.
Während andere vielleicht spontan brillant sein können, ist meine Stärke die durchdachte Vorbereitung. Und die zahlt sich aus.
2. Schriftliche Klarheit gibt Sicherheit
In der Vorbereitung habe ich meine Kernbotschaften mehrfach schriftlich ausformuliert. Das hat mir nicht nur geholfen, die Gedanken zu ordnen, sondern auch die Sicherheit gegeben, trotz Nervosität fokussiert zu bleiben.
Introvertierte denken oft besser schreibend als sprechend. In E-Mails, Konzepten und Notizen verleihen wir unseren Gedanken Substanz – lange bevor sie laut werden müssen. Das ist keine Schwäche, sondern eine Methode. Eine, die in der heutigen schnelllebigen Welt oft unterschätzt wird.
Wenn ich vor einer wichtigen Präsentation stehe, habe ich bereits hundert Versionen in meinem Kopf durchgespielt – weil ich sie aufgeschrieben habe. Das gibt mir die Sicherheit, im entscheidenden Moment präzise zu sein.
3. Substanz zieht an – auch ohne Lautstärke
Der volle Raum am SDLF war nicht da, weil ich die charismatischste oder lauteste Stimme im Programm hatte. Die Menschen kamen, weil das Thema relevant war. Weil die Aufbereitung durchdacht war. Weil die Insights wertvoll waren.
Das ist eine wichtige Lektion in einer Welt, die oft Präsenz und Lautstärke mit Kompetenz verwechselt. Aber echte Substanz braucht keine Show. Sie spricht für sich.
Gerade in Zeiten, in denen Schnelligkeit oft wichtiger scheint als Tiefe, gewinnen jene an Bedeutung, die zuerst reflektieren, dann analysieren – und schliesslich mit echtem Mehrwert antworten. Man muss nicht laut sein, um gehört zu werden.
Introversion als Performance-Booster
Diese Erfahrung am Swiss Digital Leadership Forum hat mir wieder einmal bestätigt: Introvertierte Arbeitsweisen können zum echten Performance-Booster werden – für Markenprojekte, für Content Creation, für authentische Positionierung.
Es geht nicht darum, lauter zu werden oder sich zu verstellen. Es geht darum, die eigenen Stärken bewusst einzusetzen:
Die Fähigkeit zur tiefen Analyse
Die Geduld in der Vorbereitung
Die Präzision im Ausdruck
Die Ruhe, die anderen Raum gibt
Die Substanz, die ohne Lautstärke überzeugt
Manchmal führt das dazu, dass ein Konferenzraum voller wird als erwartet.Manchmal bedeutet es, trotz Nervosität die Bühne zu betreten.Aber der Impact ist real.
Und am Ende zählt nicht, wie laut du warst – sondern was die Menschen mitnehmen konnten.




